Beim Barte des Rabbiners
Der Standard 11/1999
Niemand wollte sie seinerzeit haben: jene 10 Gebote, mit denen der Herr – einem Vertreter gleich – von Volk zu Volk zog. Nur die Juden fragten weder nach dem Inhalt, noch nach den Folgen, sondern erkundigten sich schlicht nach den Kosten. “Gratis”, sprach der Herr. “Eine Mezie”, dachten die Juden. Seither müssen sie den Preis daür zahlen, zum auserwählten Volk erkoren worden zu sein.
Ob Mezie oder Ezes, Rabbi, Ganeff oder Gojim – Gerhard Bronner hat in seinem neuen Programm “Tränen gelacht” – und im gleichnamigen Buch – zu jedem Themenbereich die passenden Pointen. Einige davon sprühen vor scharfsinniger Tiefe, andere haben bereits einen beeindruckenden Bart. Was ihnen bei der jahrtausendealten Geschichte des Judentums auch nicht vorzuwerfen ist. Bei so manchen stellt sich jedoch die Frage, ob sie nicht am Stammtisch besser aufgehoben wären : “Sind sie verheiratet ? – Nein, ich schau‘ nur so aus. Mir haben sie gerade mein Auto abgeschleppt.” Das ist in Wahrheit weder besonders jüdisch, noch besonders witzig.
Die Höhepunkte des Abends sind zumeist musikalischer Natur: Zum Beispiel die “Soirée bei Tannenbaum von Leopoldi und Löhner-Beda. Vor allem aber nach der Pause, wenn es Bronners – im Programmheft unerwähnt gebliebenen – virtuos-furiosem Gast-Geiger Aliosha Biz spielend gelingt, die ganze Tragik und Komik eines Volks zu Herzen gehend erklingen zu lassen.
Sein als “launiges Symposion über den jüdischen Humor” beuntertiteltes Programm ist insgesamt weit weniger die erwartete geistreiche Auseinandersetzung mit den Wurzeln und Charakteristiken einer humoristischen Eigenart, als vielmehr eine – selbstverständlich gediegene – Gaudimax-Variante mit eingestreutem Liedgut. Wodurch immerhin ein weiterer jüdischer Begriff eindrucksvoll demonstriert wird : Denn wenn ausgerechnet Gerhard Bronner einen ganzen Abend lang Witze vorliest, dann ist das eine ganz besondere Qualität von Chuzpe.
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