Chaos-Kabarett
Der Standard 03/1996
Brix heißt eigentlich Werner, und Lurch kommt im Verlauf des gesamten Programms kein einziger vor. Es sei denn, jenes Wesen, das sich offenbar in seinem WC häuslich eingerichtet hat und absonderliche Liedchen singt, zählt sich zu dieser Gattung der Amphibien.
Von solch anders-, un- und abartigen Abstrusitäten, die einem Kabarettisten statt des Schalks bisweilen im Nacken, bzw. in der Klomuschel sitzen können, handelt „Lurch“. Ein Programm live aus dem Leben eines Kleinkünstlers gegriffen, das mit einer Vielzahl abenteuerlich grotesker und schaurig schriller Details aufwarten kann, die keineswegs nur für Berufskollegen zum Schreien komisch sind: Ein kabarettistisches Chaos über das Problem, als Vater und Steuerzahler, als von Agenten und Veranstaltern Geplagter und latent Wahnsinniger ein abendfüllendes Programm auf die Bühne zu bringen. Berufsübergreifende Flucht-, Verlegenheits- und Verdrängungsmechanismen inklusive.
Eine für ein Debut zwar etwas zu naheliegende Thematik, die sich allerdings in der phantasievollen und nur stellenweise etwas unerfahren-holprigen Aufarbeitung durch den der Seeböck’schen Schauspielschule – dem ertragreichsten Nährboden für neuzeitlichen Kabarett-Nachwuchs – entsprungenen Brix jedes schalen Beigeschmacks entledigt.
Erweist er sich doch als ein wandlungsfähiger Charakter-Karikaturist mit vielversprechendem Sinn für komische Katastrophen. Ein Stil, der allerdings auch Polarisierung zu provozieren im Stande ist: Vor allem die selbstverständliche Verbindung von Alltäglichkeiten mit anarchischem Chaos ist es, die scheinbare Stabilitäten zu unterminieren und somit auch Aggressionen eines blamierten Intellekts hervorzurufen vermag. Recht so!
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