Von der Kunst zur Künstlichkeit
Um publikumswirksamer zu werden, wolle er in seinem neuen Solo „inhaltlich gefälliger sein, ohne die Hosen runterzulassen“, hatte Brix vorab verlauten lassen. Was beides schwerfällt, wenn man sich in des Kaisers neuen Kleidern präsentiert.
kabarett.at 10/2011
Wohin des Weges, Werner Brix? Das eigene Altern und die damit verbundenen Befindlichkeiten zur Basis von Kabarettprogrammen zu machen, ist zwar nicht der innovativste Ansatz, aber er eröffnet immerhin viele Möglichkeiten. Der Mitt-Vierziger entscheidet sich in seinem neuesten Solo für einen pseudowissenschaftlichen Vortrag eines in seiner Verschrobenheit anfänglich an Kurt Weinzierls „Pilch“ erinnernden Professors über die angeblich schlagartige Emotionalisierung des Mannes über 40, der – gefangen in Geschlechter-Zwängen und Generations-Prägungen – verzweifelt nach Ausgeglichenheit sucht.
Angereichert u.a. mit der Analyse typischer Gesprächsmuster zwischen Ehepartnern, etymologischen und anderen Halblustigkeiten, sowie ein paar als One-Man-Band mit Loop-Machine vorgetragenen Liedern, verkündet er als großer Frauenversteher und Dr. Seltsam der Selbstfindung seine große Erkenntnis : Männer über 40 – wenig schmeichelhaft zur finalen Kategorie der „Uhus“ ( = Unter Hundert) zusammengefasst – wären ja grundsätzlich perfekt, würden ihnen bei ihrem Coming-Out als empfindsame, reife Männer nicht ständig ein paar Jahrtausende Patriarchat in die Quere kommen. Daher lieber gleich : Frauen an die Macht. Und : „Wir haben euch lieb.“
Inhaltlich also streng genommen eine hypothetische Unerheblichkeit nach der anderen. Was bei kabarettistisch bereits reichlich abgehandelten Themen, wie die Midlife-Crisis oder die Unterschiede zwischen Mann und Frau, an sich schon ein Problem ist. Unterhaltsam kann das aber allemal sein. Vorausgesetzt, der Text sprüht vor origineller Gewitztheit und der Vortragsstil vor spielfreudiger Komik. Leider hat sich Brix aber ein zwar formulierfreudig verschachteltes, aber für freie Rede – selbst für Langatmige – nur bedingt geeignetes, und überdies klischeetreues Manuskript auf den Leib geschrieben. Daher liest er es auch über weite Strecken vom Blatt ab. Für abwechslungsreiche darstellerische Komik bleibt dann zwangsläufig wenig Bewegungsfreiheit. Stattdessen versucht er, seinen Sätzen mit eigentümlichen, aber dem Verständnis nicht unbedingt zuträglichen Betonungen Spaß abzugewinnen. Und selbst das klappt nur bedingt.
Es sei eben ein wissenschaftlicher Vortrag, daher sei das Vorlesen legitim, erklärt Brix seinem Premieren-Publikum nach Verklingen des Schlussapplauses. Augenzwinkernd. Dass er seinem Programm damit, dass er den Text nicht in- und auswändig kann, keinen Gefallen tut, dürfte ihm also klar sein. Er beraubt sich damit einer seiner größten Stärken. Die Kunst und Lockerheit, mit der er einst seine kuriosen Charaktere aufmarschieren ließ, ist einer verkrampften Künstlichkeit gewichen. Und die einst unprätentiöse, famose Unterhaltung einer bemühten Behauptung, der er schlicht und einfach nicht gerecht zu werden vermag. Wohin des Weges, Werner Brix?
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