Taubnesseln auf Agit-Trip
Der Standard 11/1995
Willkommen beim bunten Abschlussabend des Arbeitskreises „Gegen Haider! Aber was ?“. Unter dem Gruppennamen „Die Brennesseln“ zeigen uns die Herren Aigelsreiter, Siderits, Könczöl und Peschka – allesamt klasse Burschen mit der richtigen Einstellung – was ihnen dazu eingefallen ist: z.B. das kleine, aber natürlich auch beim fünften Mal noch zündende Haider-Hitler-Wortverwechsel-Spiel, weiters zahllose blaue Schals um möglichst unsympathische Hälse geschlungen, szenenweise Anflüge von Satire, allerdings an der Schmerzgrenze zur Polemik, und zu guter Letzt ein Kampflied, das die Kollegen von der musikalischen Jungschar nicht schöner hätten schreiben können: „Huachts jetzt her und fiachts eich net“ hat durchaus das Zeug zum Schlachtlied der nächsten Antifa-Demo.
Politische Stellungnahmen sind zwar auch im Kabarett ein Gebot der Stunde, keine Frage, aber deswegen muss man sie doch nicht gleich zur Gallionsfigur machen und alle anderen bewährten Werte kurzerhand über Bord und Bühne werfen. Das wird doch nicht etwa der Vorbote eines vordergründigen und wie Durchfall vermissten Agit-Kabaretts sein? Es ist kaum zu glauben: Da ist er, um den sich der ganze Abend dreht, noch lange nicht gewählt – und doch verursacht er schon jetzt derartige künstlerische Katastrophen.
In diesem Fall heiligt nicht einmal der Zweck das Mittelmaß, denn das einzige Ergebnis des 15. Programms der Brennesseln namens „Die Tritte Republik“ ist die Selbstbefriedigung der Akteure. Motto: „Mir ham wos ‚tan!“ Doch nicht geschwiegen zu haben, ist auf einer Kabarettbühne zu wenig und verhöhnt das Angebot der dort zur Verfügung stehenden Möglichkeiten.
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