Exploding Knödel mit Philosophie
Der Standard 03/1998
Versetzte er das Publikum bei seinem letzten Wien-Gastspiel – „Weird Instinct“ – als fleischgewordener Flammenwerfer und Hypnotiseur in Angst und Zweifel, hat er diesmal – „Brains“ – Sprengstoff und Starkstrom im Gepäck, um seinem Ruf als Terror-Entertainer und Verunsicherungs-Vertreter gründlich gerecht zu werden.
Darüberhinaus bleibt vieles beim Alten. Vor allem das grundlegende Prinzip: Opfer, an denen er seine anarchischen Aktivitäten entfaltet, wählt er unter Zuhilfenahme manipulierter Zufallsgeneratoren – oder doch willkürlich ? – aus, und am Ende enthüllt er das Glatteis, auf dem er sein Publikum 90 Minuten lang an der Nase herumgeführt hat. Ein Prinzip, das beim ersten Aufeinandertreffen mit dem distinguiert wirkenden Italiener selbst eingefleischten Skeptikern sorgenvolle Augenblicke bereitet. Beim zweiten Mal funktioniert dieser prickelnde Kick verständlicherweise schon weit weniger. Doch das spielt keine Hauptrolle, denn schlußendlich ist es weniger die Frage, wie weit Bassi – in seiner künstlerischen Freiheit eingeengt von Totschlags- und Nötigungs-Paragraphen – im Umgang mit seinen zahlenden Zuschauern wirklich geht, als jene, warum seine im Grunde genommen simplen Mechanismen so wirk- und unterhaltsam sind ? Es ist – neben aller Action und Clownerie – vor allem die befreiende und erfrischende Mißachtung zwischenmenschlicher Konventionen : „Respect is boring“, sagt Bassi, nimmt den Begriff Spannungs-Steigerung mittels seiner mexikanischen Stromstoß-Maschine wörtlich – und wirft seine Socken ins Publikum. Und damit keiner auf die Idee kommt, das sei billiger Aktionismus, wacht über all‘ diesem Treiben das Konterfei von Sokrates, der es bereits vor zweieinhalbtausend Jahren verstanden habe, die richtigen Fragen zu stellen: wider die herrschende sittliche Ordnung.
So richtig gefährlich wird es in „Brains“ erst am Schluß, wenn Bassi das Publikum zu ohrenbetäubendem Gebrüll animiert und die Saal-Türen zur Kagraner Einfamilien-Haus-Nachbarschaft aufreißt : Für einen Moment wird das schützende Prinzip des Faraday’schen Theaterkäfigs außer Kraft gesetzt.
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