Andersrum in Rumpfversion
Der Standard 05/1997
Ganz so andersrum, wie es sich Festival-Dramaturg Jochen Herdieckerhoff erhofft hatte, wird Wien heuer nicht werden. Nicht nur, dass wegen der hitzigen Diskussionen, die die im Vorjahr erstmals durchgeführte – und mit 13000 Besuchern durchaus erfolgreiche – Veranstaltungsreihe ausgelöst hatte, einige potente Sponsoren abgesprungen sind, auch von der vom Kulturamt in Aussicht gestellten Subvention in Höhe von 1 Mio ÖS für „Wien ist andersrum 2“ sind – nach den wahlbedingten Ressort-Rochaden im Wiener Rathaus und einer auszugsweise im Programmheft abgedruckten und absolut nachlesenswerten Gemeinderatsdebatte – ganze 250.000 übrig geblieben. Der veranstaltende Verein ECCE HOMO sah sich daher genötigt, etliche der geplanten Programmpunkte zu streichen.
Aber auch die Rumpfversion (6.6. – 12.7.) kann wieder mit bereits bestens bewährten und einigen hierzulande bislang noch unerhörten Top-Acts aufwarten. Zu ersterer Kategorie zählen zweifellos Max Raabe (18.6., Konzerthaus), Georgette Dee & Terry Truck (23.6., Raimundtheater) und die „Geschwister Pfister“, die in der Remise Engerthstrasse, dem Hauptspielort des Festivals, ihr neues Programm „The Great Space Swindle“ präsentieren werden. In unweite künstlerische Kerben schlagen auch die irrwitzige Popette Betancor, der charmante Schweizer Sängerknabe Michael von der Heide und die schrille Stand-Up-Comedian Janice Perry.
Eröffnet wird der bunte Reigen der Veranstaltungen „für die ganze Familie“, wie Herdieckerhoff sich angesichts der vielerorts unverändert herrschenden Berührungsängste mit kulturellen Hervorbringungen dezidiert homosexueller Künstler immer wieder bemüßigt fühlt zu betonen, von des Australiers Neville Tranter international gefeiertem „Stuffed Puppet Theatre“ (6.-8.6., Remise).
Die ganze Bandbreite „der Verlockungen vom anderen Ufer“ beweist schließlich eindrucksvoll das renommierte britische Quartett „The Hilliard-Ensemble“, das in der Minoritenkirche geistliche Vokal-Musik aus dem späten 12. Jahrhundert präsentieren wird.
Vom ursprünglich geplanten Schubert-Schwerpunkt ist nur der Vortrag des Musikwissenschaftlers Christoph Schwand geblieben, der seine Recherchen über die vermutete Homosexualität des Komponisten mit zahlreichen musikalischen Beispielen untermauert (13.6., Konzerthaus). Nicht zu vergessen natürlich das Festival-Plakat, dessen Sujet – Franzl ohne Frackhosenboden – ebenfalls dem Jubilar huldigt.
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