Douxe Points für Jackie Clune
Der Standard 04/1999
Trefflicherweise in jener Nacht, in der in heterosexuellen Kreisen vermutlich irgendwo das Millenniums-Baby gezeugt wurde, ging im Metropol die aus Appetithäppchen zusammengewürfelte Eröffnungs-Gala für das vierte Festival der Verlockungen vom anderen Ufer “Wien ist andersrum” über die Bühne. Als Moderator fungierte Deutschlands slicker Parade-Schwule und Lindenstraßen-Flöter Georg Uecker, der dem Abend mit rhetorischer Rasanz und an Gottschalk gemahnendem, scherzigem Showmastergehabe seinen bisweilen anbiedernden und arroganten Stempel aufdrückte. Als er im späteren Verlauf der Show den im Publikum weilenden Hermes Phettberg spontan zum Smalltalk auf die Bühne bat, prallten gar ganze Welten aufeinander. Nein, Herr Uecker, in Wien – und vor allem in “Wien ist andersrum” – ist Hermes nicht jene ungeduschte Spottfigur, als die Sie ihn vorzuführen versuchten.
Doch wo Schatten ist, scheint auch irgendwo die Sonne. An diesem Abend vor allem in Gestalt der britischen comedian Jackie Clune. In ihrer Show “Chicks with flicks” erläutert sie anhand haarsträubend versponnener, völlig frei erfundener biographischen Details und unvergänglicher Hits die kulturgeschichtliche Bedeutung jener “Tussis mit Fönwellen” (Abba, Olivia Newton-John & Co), die uns die 70‘er verschönten. Wenn Jackie Clune “Top of the world” anstimmt, dann wird Karen Carpenter so lebendig, daß einem die Tränen kommen. Unbedingt in voller Länge mitzuerleben heute Samstag und von Montag bis Mittwoch im Metropoldi.
Für Freude sorgten auch “Illie & Bart”, die mit eindrucksvollem Opern-Timbre das Leben zweier “bisexueller Schlampen” besangen, und der schweizer Chansonnier Michael von der Heide, der wie schon im Vorjahr mit süßer Stimme und lieblichem schweizer Charme begeisterte. Über das bittere, in grenzenloser Peinlichkeit nicht und nicht endgültig versanden wollende große Finale sei der Mantel des Schweigens gebreitet. (pb)
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