Ein runder Fleckerlteppich als Vorbote
Der Standard 05/2000
Es möge irgendwann einmal müßig sein, vorwegschicken zu müssen, daß sich das aufgrund des alljährlichen politischen Vorgeplänkels auch heuer wieder umstrittene Schwulen- und Lesben-Festival “Wien ist andersrum” keineswegs auf Unterhaltungsformen beschränkt, die ausschließlich von und für Menschen des anderen Ufers auf die diversen Bühnen gebracht werden. Professionelles Entertainment kennt keine Grenzen. Schon gar keine vermeintlich natürlichen Grenzen, wie Flussläufe. Eindrucksvoll unter Beweis gestellt wurde das bereits bei der Eröffnungs-Gala, die erstmals in der fünfjährigen Geschichte des Festivals von den Organisatoren als durchwegs gelungener, runder Abend verbucht werden darf. In erster Linie dank des präzisen Präsentatoren-Gespanns : die schrille Schachtel Emmi Hempel-Bertie und ihr vor keiner Demütigung gefeiter Adlatus Valentin Willnowsky – “mein zurückgebliebenes Russenkind” – bilden ein Stand-up-Comedy-Duo, wie man es in Wien seit dem letztjährigen Auftritt der beiden Hamburger Humoristen nicht erlebt hat.
Der Kurzauftritt des zartschmelzenden Schnulzen- und Arien-Duos “Illie & Bart” (in voller Länge am Freitag im “Casanova”) war erwartungsgemäß herzergreifend, der Ausschnitt aus der gnadenlosen Reanimation des abstrusesten Sondereinsatzkommandos der 70er namens “Drei Engel für Charly” (ab Mittwoch im “Theater Drachengasse”) läßt einen besonders trashigen Klamauk befürchten – und jenes frivol-fröhliche, musik-komödiantische Wiener Szene-Quartett, das den Titel seines letztjährigen Debut-Programms “Villa Valium” als Gruppennamen adoptiert hat, bot einen verheissungsvollen, vermutlich noch etwas verhaltenen Vorgeschmack auf seinen neuen “Höllenflug” (ab morgen im Metropol).
Die Abräumer des Abends aber waren das “Theater 82‘er Haus” mit seinem bewährten Songcontest-Medley und vor allem die erstaunliche “Irmgard Knef”, deren gefeiertes Solo-Gastspiel tags darauf den bestens geigneten, neuen Spielort “Casanova-Bar” eröffnete. Wie der Berliner Kabarettist Ulrich Heissig, akustisch und optisch täuschend echt, in die Figur von Hildegards fiktiver Zwillingsschwester schlüpft – “Hilde ist 10 Minuten älter und ich finde das sieht man auch” – und dergestalt die schattige Rückseite des Diva-Denkmals ironisch-respektvoll beleuchtet, wie er beiläufig brilliant Pointen setzt, ohne jemals auch nur in die Nähe billiger Travestie oder Parodie zu geraten, ist schlicht sensationell. Aber leider schon vorbei.
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