Hiphop durch die Ehekrise
Eine mörderische Ehe im Fast-Forward-Remix: „… und alle warfen lachend den Kopf in den Nacken.“
kabarett.at 02/2010
Der Abend hat noch kaum richtig begonnen – und schon ist die Stimmung aber so was von im Keller. Ein – gelinde gesagt – mutiger Start für ein Kabarett-Solo. Als würde man seinen noch fabrikswarmen neuen Porsche vorsätzlich gegen die Leitschiene donnern. Und der Schock sitzt tief. Und vergeht nur langsam. Denn es hat schon etwas sehr lapidar-zynisches, wie die zentrale Figur des Programms auf die Nachricht von der Ermordung der Gattin reagiert. Pietätlos und gefühlskalt.
Nein, ein charakterliches Highlight ist dieser Typ definitiv nicht. Und auch kaum eine der über ein Dutzend anderen Gestalten, die Herbert Steinböck im Zuge des Abends mit virtuoser Exaktheit verkörpert. Von den drei Freundinnen der Verstorbenen – die blonde Bernadette, die geile Geli und die Emanze Eva – über den Erinnerungen an Düringers „Muttertags“-Opa wachrufenden Vater der Verblichenen bis hin zur schwer unterbelichteten Geliebten, von der bis zum Schluss weder die Hauptfigur, noch das Publikum weiß, ob sie jetzt eigentlich Ramona oder Romana heißt. Sie selbst übrigens auch nicht.
Die Geschichte, die Steinböck in „Bonanza“ erzählt, fährt flott auf drei Schienen : Einerseits die Chronik einer zerrütteten Ehe – von ihren rosaroten Anfängen über Jungelternstress, Ehealltag und Versöhnungsurlaubsfiasko bis zu ihrem tragischen Ende. Andererseits die Suche nach dem Mörder, in deren Verlauf eine Figur nach der anderen von der Polizei verhört wird. Und drittens die Abenteuer und der Alltag der Cartwrights auf der „Ponderosa“, in deren merkwürdig heile Männerwelt sich die von Frauen enttäuschte Hauptfigur immer wieder flüchtet. Am besten aufs Klo: „Hier bin ich frei, hier sperr ich mich ein.“
Bei der filmisch, fast schon videoclip-artig anmutenden Verschachtelung der vielen mit gewohnt plakativ-wirksamer Komik und Spielwitz abgespulten, zum Teil recht originellen Kurzszenen haben Steinböck und sein Regisseur Werner Sobotka ganze Arbeit geleistet. Die spannende chronologische Inkohärenz mittels Rückblenden und die Verwebung der roten Fäden tragen das ihre dazu bei, dass einem beim Zuschauen nie fad wird. Und das, obwohl weder dem Mordfall noch der Ehekrise inhaltlich unerwartete Wendungen oder Überraschungsmomente abgewonnen werden.
Es sind viel mehr die klischeereichen Figuren, die raschen Szenenwechsel, die teils – bedingt durch die Thematik – mit durchaus auch derberen Scherzen gewitzten Dialoge, die perfekte Inszenierung und nicht zuletzt die genaue Lichtregie, die durchgehend für Kurzweil und Amusement sorgen. Ein bei aller Tragikomik lustig-leichtes, allseits hochprofessionell auf die Bühne gestelltes Programm. Was will man mehr ?
Eine mögliche Antwort auf diese Frage gibt Herbert Steinböck selbst in der Zugabe. Besser gesagt : im Nachspann. Da spielt er nämlich die „Outtakes“ vor. Also eine besonders flotte Abfolge von Kürzestszenen mit Pannen, die – angeblich – bei den Dreharbeiten zu diesem „Kabarett-Film“ passiert sind. Und auf einmal wird es schräg und absurd. Die Zweidimensionalität des Abends verliert plötzlich den Boden der vermeintlichen Realität unter den Füßen und erfährt dadurch jene erstaunliche Erweiterung, von der man 100 Minuten lang nicht gemerkt hat, dass sie einem gefehlt hat.
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