Sie wollen, solange wir spielen!
„Flüsterzweieck“, „BlöZinger“, „Buchgraber & Brandl“ und Clemens Maria Schreiner addieren ihre Qualitäten zu einer ansehnlich amüsanten Summe. Multiplikation möglich.
kabarett.at 09/2010
Das stets spielfreudige Newcomer-Förder-Projekt „Lange Nacht“ gibt es – mit jährlich wechselndem Personal – seit 14 Jahren. Und es hat einen großen Vorteil: es darf sich entwickeln. Handelt es sich nämlich anfänglich oft nur um einen erfrischend bunten Kleinkunst-Kostproben-Mix, können dessen kontrastreiche Zutaten unter guten klimatischen Bedingungen im Lauf der gemeinsamen Tournee zu einem originären und harmonisch durchkomponierten Kabarett-Menu mit überraschenden Geschmackserlebnissen reifen.
Genau diese Hoffnung weckt auch die Premiere der heurigen „Langen Nacht des Kabaretts“. Das Bemühen der Akteure, ihre jeweiligen Qualitäten stellenweise miteinander zu kombinieren, um den Eindruck eines grob gewürfelten Fleckerlteppichs zu vermeiden, ist immer wieder spürbar. Und funktioniert auch fallweise. Wenn mit einfachen, theatersportlichen Mitteln gearbeitet wird. Der nach der Pause unternommene Versuch, mit kurzen Partnertausch-Zwischenszenen eine dramaturgische Spielebene einzuziehen, auf der sich interaktive Brücken schlagen ließen, ist allerdings bislang noch nicht mehr, als eine auszubauende Idee. Und im Idealfall die Basis für ein Programm, das dann viel mehr das Produkt als nur die Summe seiner Einzelteile ist.
Die Einzelteile sind jedenfalls vielversprechend. Das junge Damen-Duo „Flüsterzweieck“ (Antonia Stabinger und Ulrike Haidacher) hat mit seinen rasant-schrillen Alltagsszenen im Vorjahr nicht zufällig den „Grazer Kleinkunstvogel“ gewinnen können. Immer schmerzhaft nah an der Realität. Ihr betont infantiles Telefongeturtel zum Beispiel. Fremdschämen kann auch verdammt lustig sein.
Mit lakonischen Feststellungen, wie „Freunde sind Gottes Entschuldigung für die Familie“, beweist das oberösterreichische Duo „BlöZinger“ (Robert Blöchl und Roland Penzinger) in seinen fantasievoll ersponnenen, bisweilen anarchischen Szenen auch aufklärerische Absichten. Das Wiedersehen mit ihren bereits bewährten Nummern über die Konflikte zwischen zwei charakterlich recht unterschiedlichen eineiigen Zwillingen in der Enge der Gebärmutter oder über einen missmutigen Clown, der sein Ruhebedürfnis nötigenfalls auch mit roher Gewalt an kleinen Tieren durchsetzt, nährt die Vorfreude auf ihr neues Programm „Und wenn sie nicht gestorben sind …“, das Ende September im „Theater am Alsergrund“ Premiere haben wird.
Schauspielerisch am professionellsten agieren die im Vorjahr mit dem „Österreichen Kabarettförderpreis“ ausgezeichneten „Buchgraber & Brandl“. Das ist mal absurd-albernes, mal grundgescheites, aber immer komisches Theaterkabarett mit einer Vielzahl rundum griffiger Charaktere.
Bleibt noch der einzige Solist der „Langen Nacht“ : Clemens Maria Schreiner hat bereits 2005 – mit 16 Jahren (!) – den „Grazer Kleinkunstvogel gewonnen. Und er besticht noch immer mit einer Kombination aus erfrischender, jugendlicher Unbekümmertheit und unerklärlicher Abgebrühtheit im spontan-spaßigen Umgang mit dem Publikum. Bei seinen amüsanten und grundsätzlich genauen Typen- und Sprachbeobachtungen unterlaufen ihm nur gelegentlich kleine Ungereimtheiten. Ein von einem Touristen um Auskunft gebetener und des Englischen nur sehr rudimentär mächtiger Wiener kann die Winckelmannstraße beim besten Willen nicht spontan in „Anglemanstreet“ übersetzen. Das bedürfte einer deutlich höheren Vokabelfestigkeit.
Aber wie kleinlich ist das denn ?! In Summe sorgen die fünf Steirer und zwei Oberösterreicher der aktuellen „Langen Nacht“ wieder für abwechslungsreiche, kabarettistische Kurzweil. Und das bei Bedarf ausufernd : Schließlich lautet das traditionelle Motto „Wir spielen, solange sie wollen“. Oder in der – dem bei der Premiere anfänglich noch wohltuend überschaumgebremstem Publikum augenzwinkernd angekündigten – etwas bedrohlicheren Variante „Sie wollen, solange wir spielen!“.
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