Preis & Wert im Vindobona
Der Standard 08/1999
Am Anfang war – der Kabarett-Boom. Ihm folgte – in gebührender Distanz – der Kabarett-Preis-Boom. Allein im deutschsprachigen Raum gibt es inzwischen über 50 Auszeichnungen von größtenteils lokaler Bedeutung, die alljährlich darum buhlen, sich Kleinkünstlern möglichst prominent auf die Fahnen heften zu dürfen. Wenn also in Bezug auf die Kabarett-Szene von einer galoppierenden Preis-Inflation die Rede ist, geht es nicht um teurere Eintrittskarten. Soviel vorweg.
Zum ersten Mal gibt es heuer nun auch einen “Österreichischen Kabarettpreis” namens “Karl 99”. Eine vom “Vindobona” initiierte Würdigung, deren auffälligstes Merkmal ihre stolze Dotation ist : Dank der Hilfe eines potenten Sponsors (“Wiener Stadtwerke”) erhält der Sieger satte 100.000.- und der Gewinner des “Förderungspreises” immerhin noch 30.000.- Damit liegt “Karl” auch international im absoluten Spitzenfeld.
“Ausgezeichnet werden soll”, laut Eigendefinition, “die herausragendste und innovativste kabarettistische Leistung des Jahres.” Da Hauptpreisträger Bernhard Ludwig seine wichtigste Innovation, die “Seminar-Kabarett” benannte Symbiose zwischen Solo-Entertainment und Gruppen-Therapie, bereits 1993 der Öffentlichkeit präsentierte, war wohl das ausschlaggebende Argument für die Jury-Entscheidung die dieser Tage fertiggestellte Kino-Film-Version seines “Sexfrust”-Programms, mit der er die große Nachfrage nach Auftritten ohne persönliche Anwesenheitspflicht befriedigen möchte. Zweifellos auch ein Novum im Kabarett.
Der “Förderungspreis” geht an das Duo “KaBud”, dem vor zwei Jahren – u.a. mit seinem Stilmittel der Personifizierung von Gegen- und Gemütszuständen – ein höchst bemerkenswertes Debut gelang. Die prinzipielle Preiswürdigkeit beider Sieger ist also unbestreitbar.
Ein wenig fragwürdig erscheint allerdings das Auswahlverfahren: Drei Mitglieder der sechsköpfigen Jury – das ergibt bereits eine Art Sperrminorität – stellen die veranstaltenden Institutionen selbst (“Vindobona” und “Wr. Stadtwerke”), zwei weitere sind Journalisten von Printmedien, die bislang kaum durch ihr gesteigertes inhaltliches Interesse am Kabarett aufgefallen sind (“News”, “Kronenzeitung”). Zu einem wichtigen Vergabe-Kriterium avancierte im Frühsommer überdies die Frage, welcher Kabarettist denn überhaupt Lust und vor allem Zeit hätte, am 4. September den Preis entgegenzunehmen. Einen Preis, der trotz seines nationalen Konsens implizierenden Titel ohne jeglichen Koordinationsversuch mit anderen Bühnen und Veranstaltern vom “Vindobona” im Alleingang organisiert wurde – und sich in seiner Wirksamkeit auf die Vergabe eines klingenden Titels samt Preisgeld beschränkt. Andernorts wird in Wien bereits intensiv an einem umfassenden Konzept für einen zugkräftigen und für den ausgezeichneten Künstler bundesweit nachhaltig wirksamen Kabarettpreis gearbeitet.
Aber egal. Das aus heimischer Sicht höchst prominent besetzte “Österreichische Kabarettfestival 99” (1. – 30.9.), in dessen Rahmen der “Karl” feierlich verliehen wird, kann dafür mit einigen bemerkenswerten Raritäten aus dem benachbarten Ausland aufwarten : u.a. mit dem unkonventionellen Kabarett-Akrobaten Peter Spielbauer (14.9.), dem türkisch-stämmigen shooting star der deutschen Kabarett-Szene Django Asül (15.9.) und dem bitterbösen Satiriker Georg Schramm (25. & 26.9.)
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