Zäher Auftakt für „Andersrum“
Der Standard 04/1998
Zu den angekündigten „Gala-Ge-sprächen“ anlässlich der Eröff-nung des Festivals „Wien ist andersrum 3“ in der traditionellerweise etwas zugigen Remise fehlte Hermes Phettberg neben dem vorgesehenen Frack leider auch ein Gutteil dessen, womit er vor Jahren als Talkmaster berühmt ward. Dass ihm an diesem Abend nur stellenweise jene vor Detailwissen strotzenden, außergewöhnlich auf den Punkt gebrachten Fragestellungen und Konfrontationen irritierter Konventionalisten mit Inhalten außerhalb ihres Fassungsvermögens gelingen wollten, lag aber – so viel sei unterstellt – nicht an einer Formkrise, sondern an mangelndem „briefing“ – oder zu wenig persönlichem Interesse an der thematischen Gäste-Klammer „family values“.
Amüsanter, als alles, was sich sonst Talk nennt, ist es aber natürlich nach wie vor, wenn er Jenny Pippal entlockt, dass „Groer sicher auch viel Gutes getan hat“, mit Willy Kralik über „unser herrlich verlottertes Land“ diskutiert, Peter Hofbauers „Vera“-Produktionsfirma „subversives Potential“ unterstellt und sich von Peter und Friedrun Huemer – nach vergeblichem Bemühen, tontechnische Widerwilligkeiten zu über-winden – die Umdrehungszahl judikativer Mühlen erklären lässt. Phettberg: „Warum dauert das drei Jahre ? Mei Mama ist inzwischen gestorben.“ Huemer: „Das wär aber so auch passiert !“ Von Alfons Haider erfährt er schließlich, dass „Cissy Kraner und Hugo Wiener Österreichs erstes Hetero-S/M-Pärchen waren“.
Dazwischen singen Münchener (!) „Blaue Engel“ Swing der 20’er Jahre, und auch der überraschend dürftigen Publikums-Kulisse gelingt es nicht wirklich, eine festliche oder fröhliche Stimmung aufkommen zu lassen. Aber das war ja nur die Eröffnung – auch karätige Festivals müssen sich erst warmlaufen.
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