Mittelstation im Spargelfeld
Der Standard 08/1994
Conférencier Leslie kann Karel Gott besser als Herbert Grönemeyer, hat die längsten Beine, aber dafür auch die lauesten Pointen. Das ist umso trauriger, als er der einzige ist, der im Verlauf von „Travestie à la carte“, der aktuellen Revue des legendären Cabaret Chez Nous aus Berlin, Pointen zu bieten hat: „Rauchen Sie nach dem Verkehr ?“ – „Herr Doktor, ich hab‘ noch nie nachgesehen!“
Leicht hat es Leslie allerdings wirklich nicht: Wie soll er auch einem Publikum, dem der Sinn vorrangig nach erfrischender Abkühlung steht, den angeblichen Reiz pikanter Schwüle vermitteln? Und warum hat Kim nichts zu bieten außer drei verschieden großer Präservative und zwei gleich großer Brüste ? Und warum lassen sich – laut Chez-Nous-Prinzipal Thomas Schmieder – mehrheitlich weibliche Besucher die zotigsten Herrenwitze erzählen, um ob jeder noch so kleinen Portion Verruchtheit in ausgelassen-empörtes Verzücken auszubrechen und jedes geringfügige Anschwellen ordinärer Adern mit Applaus zu quittieren, obwohl Verbreiter derart übler Scherze üblicherweise und zurecht einen heftigen Gruß von der Reaktions-Palette „Missachtung bis Maulschelle“ zu erwarten hätten?
Fragen über Fragen, die auch das temperamentvolle Trio Opale nicht zu beantworten im Stande ist. Dafür liefert es – von Flamenco, den Gipsy Kings und anderen südländischen Spezialitäten schwungvoll umrahmt – Manuel Dalgu, der aussieht wie Bette Middler, aber den beinbrecherischen Spagat besser beherrscht, und Fanny Boy, der sich ohne viel Firlefanz inmitten einer Glimmer-Glamour-Travestie-Show als hübscher Mann präsentieren darf.
Was außer den Fragen bleibt, ist eine bunte Kostümschau mit Musik, unbeholfen wirkenden akrobatischen Einlagen, mit choreographischen Einfallslosigkeiten auf einer sichtlich viel zu kleinen Bühne und einem Anflug von Komik, der sich beim Versuch mit Hilfe bundesdeutscher Innenpolitik zu humoristischen Höhen aufzuschwingen seiner Seilschaft im Saale entledigt und sich schließlich mit dem Erreichen der Mittelstation knapp unterhalb der Gürtellinie begnügt.
Der Vergleich zwischen einem burgenländischen Liebhaber und „sich aufs Spargelfeld setzen und warten“ war ihr zwar dann doch zu viel, aber fairerweise sei vermerkt, dass sich meine Frau überraschend gut amüsiert hat – und wir Männer sind ja sowieso nur deshalb erschaffen worden, „weil es keine Vibratoren gibt, die Rasenmähen können.“
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