„Gestyltes Leid ist halbes Leid !“
Der Standard 04/1994
Das Bühnenbild ist karg, aber aussagekräftig: ein Rednerpult und eine Wahlzelle – rot und rechtslastig. Welch subtile Allegorie. Doch Fritz Egger, den das „Salzburger Affront Theater“ in diesem seinem sechsten Programm als Solist ins Rennen schickt, lässt es dabei nicht bewenden. Seine politische Überzeugung schwingt nicht zwischen den Zeilen mit, wird nicht auf Brücken und Umwegen dem Zuschauer nähergebracht, nein, er kippt sie einfach frontal-brutal von der Bühne. Zulange schon hat er als Kabarettist nichts bewirkt, sagt er, gründet folgerichtig eine Partei und kann sich endlich auf einem Parkett bewegen, auf dem feine Klingen und Diplomatie ebenso ausgedient haben, wie Tarnkappen und Dolche im Gewande. Hier trägt man heutzutage die populistischsten Fratzen und schmeißt – laut grinsend – mit Hackln nur unterhalb der Gürtelline. Die in ihrer Aussagekraft überzeugende und unmissverständliche Pumpgun, derer sich Fritz Egger als Mittel zur Generallösung allen Übels kurzfristig bedient, wandert brav wieder in seine Halterung im Rednerpult – in Griffweite, sicher ist sicher.
Im Großen und Ganzen kann das Affront-Theater aber in „Ohnmacht braucht Kontrolle“ mit keinen besonderen Vorkommnissen aufwarten. Dass Politik bisweilen kabarettistische Züge hat, ist eine ebenso wenig neue Erkenntnis, wie die Tatsache, dass Kabarett eine politische Dimension haben kann. Versuchen die meisten Kleinkünstler seit Ende der Phase des Agit-Kabaretts, ihren politischen Background vorzugsweise hinter vordergründigen Abgründen zu kaschieren und ihn nur unterschwellig den weitsichtigen und durchblickenden Zuschauern zu offenbaren, so läutet das Affront-Theater nun die Reaktion ein. Die Renaissance des politisch korrekten Kabaretts: oberflächliche Intelligenz-Pirouetten ohne Präsentation des zugrunde liegenden Fundaments. Dies mag natürlich als boshafte Anspielung auf unsere politische Kultur verstanden werden wollen, erweist sich aber als konzeptionelles Gerüst für fast einen ganzen Kabarettabend als nicht tragfähig. Zu sehr stehen seine szenischen und musikalischen Stützpfeiler in einer geraden Linie, zu eindimensional und naheliegend sind die thematischen Zugänge.
Der Gewinner des heurigen Salzburger Stiers ist satirisch sauber, schauspielerisch tadellos und humoristisch solide. Kurz : kabarettistisch konventionell – und schlussendlich fad.
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