Von Zugpferden und Öltankern
Achtung! Kabarettisten-Lawine im öffentlich-rechtlichen Unterhaltungs-Raum. Der ORF beschert uns diese Woche neue Folgen der Erfolgs-Serien „MA 2412“ und „Kaisermühlen-Blues“, Roland Düringers „Benzinbrüder Show“ – und eine frische Comedy-Show namens „Nightline“.
tele / 24. Februar 2000
Für den dieswöchgen Freitag sollten sich vor allem Fans von Roland Düringer mit genügend Verpflegung in Griffweite der Fernseh-Couch ausstatten. Dreieinhalb Stunden (!) Düringer ist schließlich kein Spaziergang : Als der allseits beliebte Joschi Täubler verschlägt es ihn in der neuen Staffel des “Kaisermühlen Blues” als Animateur nach Tunesien, als Ing. Breitfuß hat er in der Magistratsabteilung für Weihnachtsdekoration “MA 2412” wieder alle Hände voll zu tun, dem Müssiggang zu fröhnen, und in seiner “Benzinbrüder Show” führt er eindrucksvoll vor, wie man ein Kabarett-Solo-Programm auf Stadthallen-Format aufbläst.
Gleich an zwei Abenden hintereinander gelang ihm vor einem Jahr das Kunststück, die Wiener Stadthalle bis auf den letzten Platz zu füllen : fast 16.000 Zuschauer erlebten damals Österreichs größtes Kabarett-Event live. Und weil Düringer ein weitsichtiger und geschäftstüchtiger Mensch ist, hat er dieses Mega-Ereignis natürlich auch gleich mitfilmen lassen. Mit einem halben Dutzend Kameras fuhren die “Torpedo-Twins” Dolezal und Rossacher auf, um die Show und die backstage-Geschehnisse möglichst eindrucksvoll zu dokumentieren. Herausgekommen ist dabei ein fast vierstündiges Video, das noch bevor es in den Handel kam – nur aufgrund der Vorbestellungen – vergoldet wurde. Inzwischen sind über 20.000 Cassetten über die Ladentische gegangen. Das bedeutet hierzulande “Platin”. Die auf eine Stunde zusammengekürzte TV-Version der Show-Highlights, die am Freitag um 21:30 Uhr in ORF 1 zu sehen ist, dürfte die Verkaufszahlen wohl noch einmal ankurbeln.
Nicht unwesentlich zu diesem Erfolg beigetragen hat natürlich die Film- und Fernsehpräsenz, die Düringer seit Jahren genießt. Doch allmählich nimmt die gewinnträchtige Wechselwirkung unheimliche Ausmaße an : Die Verfilmung seines Solo-Kabarett-Debuts “Hinterholz 8” wurde in Österreich zum zweiterfolgreichsten Film des Jahres 1998 – knapp geschlagen nur vom etwas besser budgetierten Katastrophenfilm-Kollegen “Titanic”. Das “Hinterholz 8”-Video hatte dafür bereits bei seiner Veröffentlichung im vergangenen Oktober “Platin”-Status.
Die TV-Serien-Adaption des ehemaligen “Schlabarett”-Programms “Mahlzeit” namens “MA 2412”, deren neue Folgen ab Freitag jeweils um 21:05 Uhr in ORF 1 zu sehen sind, verkaufte sich auf Video bereits über 70.000 Mal. Das nennt man dann “Triple-Platin” ! Und für seine Darstellung des wunderbar widerlichen Beamten Breitfuss bekam Roland Düringer vergangenes Jahr überdies eine ”Romy” verliehen. “Irgend jemand hat einmal gesagt,”, erinnert sich Freund und Kollege Alfred Dorfer, ”der Roland ist der beste Schauspieler unter den Kabarettisten und der beste Kabarettist unter den Schauspielern. Das ist vollinhaltlich zu unterschreiben.”
Sein eigentlich bereits für Herbst 2000 geplantes neues, großes Filmprojekt hat er trotz seiner beispiellosen Erfolgswelle um ein Jahr verschoben. Ausschlaggebend für diese kurzfristig getroffene Entscheidung waren die Dreharbeiten für das Psycho-Drama ”Der Überfall” (Buch & Regie : Florian Flicker), die ihn im Jänner und Februar gehörig zusetzten : ”Zwölf Stunden pro Tag in einem kalten Studio – und immer nur warten. Da wirst zum Buddhisten.” Auch sein Notprogramm – joggen in der Mittagspause, workout am Fitneßtrainer zwischen den Drehs – konnte es nicht verhindern, daß ihm die Freude an der Filmerei vorübergehend vergangen ist.
Ein Erlebnis allerdings wird er so bald nicht vergessen : Für eine Szene mußte er als Bankräuber mit gezogener Waffe quer über den Quellenplatz rennen – und in Ermangelung von Statisten durch jede Menge ahnungsloser Passanten : ”Ich bin im 10. Bezirk aufgewachsen und ich weiß, was da teilweise für Menschen herumlaufen”, erinnert er sich mit Grauen, ”da brauchst du bloß einen Helden stehen zu haben, der eine echte Pistole dabei hat und glaubt, das sei jetzt seine Stunde. Dann wäre der Film wahrscheinlich jetzt schon ziemlich bekannt.” In die Kinos kommt ”Der Überfall” – mit Josef Hader und Joachim Bissmeier in weiteren Rollen – voraussichtlich im Oktober.
Roland Düringer ist aber natürlich nicht der einzige, dessen multimediale Umtriebigkeit sich positiv auf die persönliche Erfolgsbilanz auswirkt : Auch sein Amtskollege Alfred Dorfer konnte nach den Kinohits ”Indien” und ”Freispiel” und der TV-Sitcom ”MA 2412” einen deutlichen Anstieg des Publikumsinteresses an seine Kabarett-Programmen konstatieren. Allerdings steht er dieser – ursprünglich natürlich bewußt angesteuerten – Entwicklung inzwischen weitaus skeptischer gegenüber, als Roland Düringer : ”Der Roland hat dem Kabarett Pop-Status verliehen. Und da er genau das immer gewollt hat, halte ich das für einen legitimen Schritt. Für ihn.” Er selbst sieht sich hingegen im Kabarett immer häufiger mit einem Publikum konfrontiert, das von ihm Schmähs der Marke “Weber” wünscht – und nicht bekommt. Was der Stimmung und der Aufmerksamkeit seiner Zuscherscharen oftmals nicht besonders zuträglich ist. Mit dem Film “Wanted” und seinem neuen Solo “heim.at”, das vor 14 Tagen seine Premiere erlebte, hat er nun vorsätzlich und getriebeverachtend den Rückwartsgang in Sachen Breitenwirksamkeit eingelegt. ”Aber das ist wie das Bremsmanöver eines Öltankers”, weiß Dorfer, ”bis der steht dauert das auch seine Zeit.” Felsenfest steht hingegen bereits, daß die in Kürze beginnenden Dreharbeiten für eine weitere Staffel von ”MA 2412” seine definitiv letzten sein werden.
Einen spürbaren Aufschwung in ihrer Popularitätskurve und eine entsprechende Umwegrentabilität erhoffen sich indes von ihrer bevorstehenden regelmäßigen Fernsehpräsenz einige Kabarettisten im ”Nightline”-Ensembles : jener neuen Comedy-Show aus dem Hause Metropol, die ab dem 16.3. die bereits im November nach kurzem schweren Leiden verstorbenen „Kranken Schwestern und ihre Brüder“ vergessen lassen soll. Eine Rechnung, die für ”Steinböck & Rudle”,”Heilbutt & Rosen” oder Parodist Herbert Haider durchaus aufgehen könnte, verspricht Metropol-Chef Peter Hofbauer doch „ein Lachprogramm, das sich vorbehaltlos dazu bekennt, beste Unterhaltung unverwechselbar österreichischer Provenienz mit größtmöglicher Breitenwirkung zu machen“. Was auch immer uns das konkret verheißen mag.
0 comments on Von Zugpferden und Öltankern