Gebündeltes Bestes
Andras Vitásek – “Eine Nacht im Ronacher”
kabarett.at / 15. Dezember 2004
Nach dieser “Nacht im Ronacher” sollten es endgültig alle wissen : Andreas Vitásek ist einer der Größten der heimischen Kleinkunst. Mit einer Auslese seiner poetisch-absurd und subtil-satirisch funkelnden Kleinkunst-Kleinode, die er bereits in seinen früheren Best-of-Programmen “Bilanz” (1994) und “Seine schönsten Erfolge, Teil 2” (1998) zur Wiederaufführung gebracht hat, und Highlights aus seinen beiden neuen Soloprogrammen “Pscht!” (1999) und “Doppelgänger (2003) gelingt es ihm spielerisch, das traditionsreiche Varieté in der Seilerstätte bis in den letzten Rang mit einer faszinierenden Aura auszuleuchten.
Der Taxifahrer, der ihn zum Auftritt bringt und sich dagegen wehrt, als faschistoides Feindbild für die Eröffnungsnummer missbraucht zu werden, kommt vielleicht nicht mehr ganz so proletoid polternd daher, wie früher. Seine persönliche Wurzelbehandlung am Grab seines Vaters Frantisek hat ebenso wenig an berührender Poesie verloren, wie sein “Wochenendvater” oder sein heimlicher Wunsch, ein einziges Mal nur eine Runde durchs Theater fliegen zu können. Seine “gesammelten Stillen”, die indirekt eine Billa-Filiale in Anarchie stürzen. Der Ohrwurm-Attentäter, der ihm täglich mit “Besame mucho” auflauert. Die Wohnung in außergewöhnlicher Lage. Die Rindssuppe. Das Telefonat mit Gott. Alles großartige, teils groteske, teils alltagssatirisch vertrackte Geschichten, die man nie wieder vergisst, wenn man sie ein Mal gehört hat. Und in dieser Qualität liegt das Problem. Wer das Werk von Vitásek verfolgt, kennt sie alle. Und sie werden nicht besser, wenn man nach der ersten Zeile schon weiß, wie sie weiter gehen und wie sie enden.
Vitásek liebt seine Schöpfungen. Zu Recht. Er liebt sie vielleicht sogar ein wenig zu sehr. Behandelt sie mit Samthandschuhen. Ändert an ihnen nur dort etwas, wo es unvermeidlich ist. Seine nostalgische Fahrt durch die Kindheit in Favoriten hat diesmal nicht das alljährliche Gartenfest des Bundeskanzlers zum Ziel. Das käme seit der schwarz-blauen Wende doch etwas unglaubwürdig. Stattdessen will er zu der Galapremiere eines österreichischen Films. Derartige kleine Lautverschiebungen machen Spaß. Der Rest ist erwartungsgemäß bezaubernd und dem gediegenen Rahmen angemessen feierlich – aber doch auf die Dauer etwas fad.
Nicht eine einzige aktuelle Conférence durchbricht die Szenenfolge in der ersten Hälfte. Von der angekündigten Hommage ans “Ronacher” keine Spur. Vielleicht versteht es Vitásek ja bereits als Würdigung des Rahmens, wenn er das Theater mit seinen Nummern ehrt und edelt. Ok. Ist akzeptiert. Aber dann bitte nicht als halbherzige Rechtfertigung des Untertitels eine Zugabe im Hans-Moser-Tonfall draufsetzen. Parodie ist eines der wenigen Talente, über das Vitásek nicht verfügt. Und sie wirkt im Kontrast zu den Kostbarkeiten zuvor überdies billig.
Natürlich ist “Eine Nacht im Ronacher” wertvolle und hochamüsante Unterhaltung. Aber für wen ? Selbst am betuchtesten oder ignorantesten potentiellen Kabarettpublikum kann doch ein Vitásek bislang nicht so unbemerkt vorübergegangen sein, dass ihm im “Ronacher” Offenbarungen erwarten. Und nur der Wiedersehensfreude mit guten alten Bekannten wegen ? Das haben die Meisten rund um Weihnachten auch zu hause. Doch halt. Das könnte die Zielgruppe sein : Weihnachts-Touristen aus Deutschland, die mit einem stimmungsvollen Abend in historischem Ambiente einen der besten österreichischen Kabarettisten, den es kaum je ins benachbarte Ausland verschlagen hat, kennen lernen wollen. Für die ist das garantiert allererste Sahne.
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