Wenn sich der Erl-Wirt in die Freundschaft drängt …
Erwin Steinhauer & Rupert Henning – „Freundschaft“
Ans Eingemachte: Ein Premierenbericht vom Gipfel des politischen Kabaretts
kabarett.at / 4. November 2004
Jahrelang musste sich der in seinen Programmen politisch aktive Teil der Kabarettszene den Vorwurf gefallen lassen, den Aufstieg der FPÖ ignoriert zu haben. Man wolle da nichts überbewerten, hieß es. Mit mehr als ein paar abfälligen Fußnoten und Seitenhieben würde man Haider & Co zu viel der Ehre erweisen. Die FPÖ rutschte in die kabarettistische Kaste der Unberührbaren. Weil sie ihrerseits auch keine Kabarettisten berührte. Fassunglosigkeit, Ärger und weißglühende Wut sind nur selten wirklich zu Herzen gehenden Emotionen. Da fehlt dann wohl der persönliche Antrieb, sich ausführlicher mit einer eher abstoßenden Materie auseinanderzusetzen. Erst mit “Zwei echte Österreicher” (2000) gelang Thomas Maurer und Florian Scheuba eine satirische Analyse Haiders und des klimatischen Umfelds, das ihn ermöglicht hatte. Ein Jahr später waren beide mit im Autoren-Team der ersten polit-kabarettistischen Koproduktion von Erwin Steinhauer und Rupert Henning “Ausrichten – Ein Lebensprinzip”. Ein bereits sehr beherzter, raffinierter Rundumschlag.
Abermals ist es Florian Scheuba, der für das zweite Programm des Duos als Co-Autor verantwortlich zeichnet. Und in “Freundschaft” geht es nun wirklich ans Eingemachte. An gut konservierte Standpunkte und Überzeugungen, die wohlweislich jahrzehntelang sicher verwahrt wurden: In der Persönlichkeit als vermeintlich unverrückbartes Fundament dienenden, luftdicht verschlossenenen Gläsern mit der Aufschrift “Gesinnung”. Rupert Henning und Erwin Steinhauer öffnen diese Gläser – und müssen erkennen, dass ihr Inhalt im Licht der Aktualität vor ihren Augen zu faulen beginnt. Ungenießbar, wie der Doppler mit “Kreisky-Wein” aus dem 79er-Jahr, den sie im Nachlass des verstorbenen Pepi-Onkels finden. Jenes Urgesteins der sozialistischen Bewegung, den es nun also für Vater und Sohn zu beerdigen gilt.
Erwin Steinhauer verkörpert einen im SPÖ-Gefüge fest verankerten Purkersdorfer Ex-Bürgermeister und Z-Sparkassen-Kassier, dem sein Onkel stets ein Idol war: ein aufrechter Klassenkämpfer und unerschütterlicher Verfechter der einzig wahren Ideologie. Rupert Henning spielt einen Mitarbeiter einer Werbeagentur, der mit Ideologien nicht viel am Hut hat und der kritiklosen Heroisierung seines Großonkels mehr als skeptisch gegenübersteht. Zumeist aber spielen sie Vater und Sohn – und illustrieren einen Generationskonflikt, der sich zumeist auf politischem Terrain abspielt. Wobei der Untertitel des Programms – “Eine total politische Privatangelegenheit” – auch eine Anspielung auf das Stück “Politisch bin ich vielleicht ein Trottel, aber privat kenn ich mich aus” von Otto Grünmandl ist. In “Freundschaft” ist es anfänglich umgekehrt. Politisch glauben sich beide auszukennen, privat haben sie aber so manches im Leben verbockt. “Weil uns die Politik immer ins Leben hineinpfuscht.” Doch während sie die sozialdemokratische Ideologie Stück für Stück auf den Prüfstand heben, wird dem Vater schmerzhaft bewusst, was der Sohn immer schon vermutet hatte : “Freundschaft” ist nichts als Freund-erlwirt-schaft, höchstens die Seele der Partei isst keinen Spargel und nur noch die Engerln im Himmel singen die “Internationale”.
Es ist die unüberspürbare persönliche Betroffenheit angesichts des in Österreich real nicht mehr existierenden Sozialismus, die Steinhauer und Henning bei ihrer emotionalen Berg- und Talfahrt beseelt und beflügelt. Virtuos verweben sie das auch von gelegentlichen Watschen (Vater : “Das waren doch nur akustische Signale.”) geprägte familiäre Verhältnis mit der Geschichte der SPÖ und der gegenwärtigen politischen Situation zu einem hochgradig authentischen, hintergründig humoristischen, geistreich pointierten und dabei stets berührenden Disput. Welch ein Glück fürs Kabarett, wenn sich zwei derartig versierte – ja, brillante – Schauspieler gelegentlich in die sogenannte Kleinkunst begeben. Da verblassen die Pappkameraden des Genres gleich reihenweise. Wobei festgehalten werden muss, dass “Freundschaft” – trotz zweier eingeschobener Szenen, in denen Steinhauer und Henning die gefährliche Mentalität der Kärntner SPÖ und die blasierte Saturiertheit der Jusos mit schonungslosem Spielwitz entlarven – formal weit mehr den Kriterien für ein Theaterstück als jenen für ein Kabarettprogramm entspricht. Dem auf der gegenüberliegenden Comedy-Seite schon arg ausgeleierten Etikett “Kabarett” kann eine Ausdehnung in diese Richtung aber nur gut tun. (pb)
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