Lieber Gerold Rudle
Gerold Rudle & Hot Pants Road Club – „Die Wand“
Statt einer ordentlichen Kritik schreibt Peter Blau Gerold Rudle einen Brief.
kabarett.at / 27. Februar 2005
Du kannst Dich bestimmt noch an meine Reaktion erinnern, als Du mir vergangenes Jahr eröffnet hast, dass Du Pink Floyds „The Wall“ auf deutsch auf die Bühne zu bringen gedenkst. Sie war zurückhaltend. Um nicht zu sagen skeptisch. Und das aus vielerlei Gründen. Der unfairste davon war, dass ich nun halt einmal in meiner Jugend zu keiner Band ein so intensives Verhältnis hatte, wie zu Pink Floyd. Wer sich über Pink Floyd hermacht, greift mir persönlich ins Gemüt, Gedärm und Gepräge. Und da will ich eigentlich nicht, dass jemand drin rumrührt. Doch derartig persönliche Argumente haben in einer objektiven Kritik natürlich nichts zu suchen.
Trotz intensiver Versuche, die Vorstellung möglichst emotionslos zu erleben, haben mir gleich die ersten Akkorde von „The Wall“ die Gänsehäute kreuz und quer laufen lassen. Den famosen Musikern des „Hot Pants Road Club“ gelingt es nämlich nicht nur, lupenreinen Pink-Floyd-Sound auf die Bühne zu bringen, sondern auch, einigen der ausgewählten „Wall“-Songs mit Reggae, Country, Funk und Jazz ganz neue, faszinierende Facetten zu entlocken. Respektvolle Kreativität mit fetzig-musikalischem Witz. Hut ab !
Spätestens seit dem Auftritt des damals noch vollzähligen „Hot Pants Road Club“ beim Kabarettfestival in Windischgarsten, weiß ich, wie Du zu dieser Band stehst. Du warst im Publikum und bist komplett ausgezuckt. Begeisterung pur. Mit dieser Band im Rücken auf einer Bühne zu stehen muss für Dich die Erfüllung Deines größten Wunschtraums sein. Verständlich. Die Herrschaften haben wahrscheinlich mehr drauf, als die Top Ten der internationalen Hitparade zusammen.
So weit, so großartig. Doch ganz ungetrübt war mein Glücksgefühl über dieses Konzert-Ereignis dann doch nicht. Zumindest phasenweise. Ich will gar nicht weiter darauf eingehen, dass Dir das Kunststück gelungen ist, dieses im Original abgründige, albtraumhafte Konzeptalbum in eine saubere, jugendfreie und schlussendlich geradezu optimistische Lebensgeschichte umzudeuten. Das hattest Du einerseits bereits im Vorfeld angekündigt – und andererseits war mir das inhaltliche Anliegen von Pink Floyd in „The Wall“ schon immer relativ egal. Oder fremd. Und Du bist halt ein authentischer „Alles wird gut“-Typ, der auf der Bühne lieber lebensfrohe „Streicheleinheiten“ verteilt, als den Knüppel aus dem Sack zu lassen. Na gut.
Aber irgendwie hat es den Anschein, als wäre Dir anfänglich gar nicht bewusst gewesen, worauf Du Dich mit diesem Projekt eingelassen hast. Wie sonst ist es zu erklären, dass Du ständig auf Distanz zu Dir selbst und zu den von Dir teilweise originalgetreu ins Wienerische übertragenen Texten von „The Wall“ gehst ? Du ironisierst Deine eigene Funktion als Frontman einer Rockband – obwohl Du als eben dieser auf der Bühne stehst. Und Dich doch hin und wieder auch als solcher gebärdest. Du kritisierst manche Textpassagen als kitschig und „bochn“ – und singst sie dann doch, „weil sie ja vielleicht einfach ehrlich und wahr“ sind. Entscheide Dich doch bitte!
Rock’n’Roll verträgt keine Halbherzigkeiten, sondern verlangt ein „Entweder – Oder“. Der zurecht beliebte sympathische Entertainer und Komödiant Gerold Rudle hat hier keinen Auftrag. Das ist einfach die falsche „attitude“ und wirkt „uncool“. Damit tust Du nicht nur der Musik, sondern irgendwie auch Deiner Band unrecht. Und so schlecht ist die Story dann auch wieder nicht, dass Du immer wieder aus ihr aussteigen musst, um sie zu relativieren oder zu erklären. Du hast die Songt-Texte ja eh schon übersetzt. Ein Konzeptalbum muss so aufgeführt werden, wie es gemeint ist, sonst droht es – wie im vorliegenden Fall – immer wieder zu einem laienpsychologischen Musical zu entgleiten. Wenn mir der Sinn nach so etwas steht, gehe ich zu den „Vereinigten Bühnen“. Ganz abgesehen davon, dass Dein zumindest in der ersten Hälfte gelegentlich fast schon etwas operettenhaftes Timbre einfach nicht zu den Titeln passt. Wie wohltuend ist es da, wenn Gitarrist Harry Ahammer seine räudig-rockige Stimme erhebt.
Erst im Verlauf der zweiten Hälfte kippst Du langsam aber spürbar in das Stück hinein. Und bei „Weg mit der Wand“ („Tear down the Wall“) waren dann die Gänsehäute endlich wieder da.
Ich will Dir Deine Freude an diesem Projekt wirklich nicht verderben. Die euphorischen Publikums-Reaktionen nach der Premiere haben bewiesen, dass ich offenbar der Einzige bin, der seine Probleme mit „Der Wand“ hatte. Wahrscheinlich liegt es doch daran, dass ich bei „Pink Floyd“ einfach nicht aus meiner Haut kann. Und weil das in einer objektiven Kritik nichts zu suchen hat, habe ich Dir ja auch nur einen Brief geschrieben. Ok ?
Peter Blau
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