Die kleine Ich-bin-ich
Falter 08/2022
Nach den YouTubern Michael Buchinger und Dr. Bohl ist es erwartungsgemäß auch der TikTokerin Toxische Pommes gelungen, die Kabarettsäle auf Anhieb zu füllen. Ausverkaufter geht nicht. Die Fans der Internet-Stars heißen nicht umsonst Follower.
In ihrem trotz berechtigtem Bammel vor ihrem allerersten Bühnenauftritt im Mai beeindruckend cool präsentierten Solodebüt „Ketchup, Mayo und Ajvar“ legt die Juristin mit dem genauen Gespür für Anmaßungen und Abwertungen den Fokus auf ihren persönlichen Migrationshintergrund. Die drei Pommes-Saucen ergeben nicht zufällig ein etwas schmieriges Rot-Weiß-Rot mit kräftigem balkanischen Beigeschmack.
Mit scharfsinnigem Humor zerlegt die ewige Außenseiterin ihre Lebensgeschichte in der Fremde in Phasen der kindlichen Naivität, der Scham und des Neids, des traurigen Rückzugs und des trotzigen Aufbegehrens, der bedingungslosen Assimilation und des radikalen Nationalstolzes. Es ist ein steiniger Weg mit vielen Verirrungen, Verletzungen und traumatischen Erlebnissen– Schulskikurse (!) – zu einer inzwischen zumindest halbwegs gefestigten Identität. Da man in jedem der von ihr verhandelten Abschnitte einer charakteristischen Integrationskarriere auch steckenbleiben kann, dienen ihre symptomatischen Schilderungen der „sieben Sünden des Ausländers“ auch als satirischer Spiegel der vielschichtigen Ex-Yu-Community in Österreich.
Dass das vermutlich nicht wirklich als Kabarettprogramm durchgehen würde, war ihr von Anfang an bewusst – und daher auch nie das Ziel. Gelungen ist ihr dafür eine hintergründige Verflechtung authentischer Anekdoten zu einer sympathisch unaufgeregten, clever und subtil pointierten Coming-of-age-Erzählung. Und das in Form einer zumindest bei der Uraufführung vom Setting her noch sehr an eine Lesung erinnernde Rezitation, die dank des auf Kabarettbühnen doch eher selten gepflogenen Imperfekts eine stylische Note erhält.
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