Fingerzeige statt Zeigefinger
Der Standard 02/2000
Daß es ein dezidiert tagespolitisch aktuelles Programm werden würde, war abzusehen : Wenn ausgerechnet Thomas Maurer und Florian Scheuba – zwei Kabarettisten, die auch in ihrem bisherigen Wirken zu den politisch deutlichsten zu zählen sind – ihre erste Koproduktion mit “Zwei echte Österreicher” betiteln, ist jeder Zweifel a priori ausgeschlossen. Daß sie in der Kürze der Vorbereitungszeit jedoch ein Bühnenwerk auf die Beine stellen, das eine derart facettenreiche, spielerische und hintergründige Analyse der gegenwärtigen Geschehnisse vermittelt, überraschte nicht nur das Premierenpublikum, das dem am Montag im “Vindobona” uraufgeführten Programm mit langanhaltenden standing ovations gehörig Tribut zollte.
Fanfare – und herzlich Willkommen bei der “Thomas Maurer Show” : In dezent-grauer Edelpanier wirbelt der Gastgeber auf die Bühne und entblößt zum Aufwärmen erst einmal die alles andere als vermeintlich so bösartige und subversive Scherzkultur eines Harald Schmidt. Als Stargast und Gesprächspartner begrüßt er alsbald “den Profi-Entertainer” Jörg Haider, den er mit beinharten Fragen “entzaubern” möchte, wie er seinem zwischen jovialen und arroganten Grinsen pendelnden Gegenüber unverblümt ankündigt. Und das unvermeidliche Scheitern des Talkmasters wird bei Maurer und Scheuba zur grandiosen phänomenologische Aufarbeitung einer Person – weit entfernt von jenen billigen, uninteressanten Partei-Pointen, die das “politische Kabarett” hierzulande zurecht in Misskredit gebracht haben. Fingerzeigend statt zeigefingernd : Scheuba läßt seine überzeugende parodistische Inkarnation nur um jenen Hauch unüberlegter argumentieren, der bereits genügt, um die taktisch motivierten Widersprüchlichkeiten und die ideologiefreie Beliebigkeit zu entlarven. Nur eine unmerkliche Verdichtung – und schon schält sich die Ungeheuerlichkeit aus seinem Designer-Outfit. Bis der auf die geschickten Manöver und Provokationen zunehmend hilflos reagierende Maurer verzweifelt kapituliert – und dem so artverwandten Kollegen aus der anderen Liga das Show-Feld überläßt.
Während der internationale Schattenspender also selbst im Mittelpunkt der ersten Hälfte steht, sind es die kleinen Ereignisse, die hierzulande in diesem Schatten stattfinden, denen Maurer und Scheuba nach der Pause ihre Aufmerksamkeit widmen. Ein – nur im Vergleich zur ersten Hälfte auch qualitativ – vielfältiges Stimmungsbild in Form einer szenischen Lesung : eine rasche Abfolge kurzer, satirische Schlaglichter u.a. auf die fiktive Entstehungsgeschichte des unsäglichsten aller Wolf-Martin-Gedichte, auf die journalistischen Mechanismen im “aufgeregtesten Nachrichtenmagazin der Welt” (denen Scheuba als “Hektiker” einst bereits ein ganzes Programm gewidmet hatte), auf die – bestürzend gelähmten und haltlosen – internen Befindlichkeiten Neo-Oppositioneller, oder schlicht auf die partnerschaftsbelebenden Nebenwirkungen des gemeinsamen Demonstrierens.
Ein differenziertes, engagiertes und keinen Augenblick lang unintelligentes Programm, das sich natürlich in erster Linie jene zu Gemüte führen sollten, die wohl nicht einmal in ihren schlimmsten Träumen auf die Idee kämen, es sich anzuschauen.
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